Mein Ausstieg aus dem perfekten Leben
Nastasia blickt mit anderen Augen auf unsere Arbeitswelt. Sie selbst war jahrelang besessen von Leistung und Perfektion, so weit, dass irgendwann selbstverständliche Routinen, wie das Essen, vernachlässigt wurden. Mit fatalen Folgen.
„Es begann schon in der Schule“, berichtet Nastasia aufgewühlt. „Es gab kein Ende! Von morgens bis abends saß ich durchgängig am Schreibtisch zum Lernen, mit dem Ziel, auf dem Zeugnis einen Schnitt von 1,0 zu haben.“ Diesen erreichte sie schließlich auch, allerdings zu einem hohen Preis: Ein Sozialleben fand nicht wirklich statt, Treffen mit Freunden betrachtete sie als Zeitverschwendung. Aber auch alles andere rückte in den Hintergrund, bis sie irgendwann aufhörte zu essen. Plötzlich war es Gewohnheit, pro Tag höchstens einen Apfel zu essen, so dass sie innerhalb von einem halben Jahr radikal abmagerte.
Es folgten zwei Klinikaufenhalte mit der Diagnose „Essstörung“ und der Überzeugung, nie wieder ein perfektes Leben führen zu können. Nastasia realisierte das erst, als es sozusagen schon zu spät war. Durch therapeutische Hilfe lernte sie, dass es bei ihrem Wunsch, alles perfekt machen zu wollen, nur um die Anerkennung anderer Menschen ging. Sie hat während ihrer Klinikaufenthalte gelernt, dass es wichtig ist, sich um sich selbst zu kümmern.
Mehr Selfcare gegen Stress
Das Wort „Selfcare“ oder zu Deutsch „Selbstfürsorge“ wird häufig verwendet, aber was ist damit wirklich gemeint? In den sozialen Medien führt die Begrifflichkeit sozusagen schon ein Eigenleben. Es geht dabei darum, sich aktiv um sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Für Nastasia wäre ein Spaziergang früher die perfekte Zeitverschwendung gewesen, heute weiß sie, dass sie sich damit selbst einen Gefallen tut. Mit solchen Pausen im Alltag, sagt sie, kann sie aktiv ihr Stresslevel beeinflussen. Sie weiß, dass sie damit nicht weniger produktiv ist – im Gegenteil! Durch Selfcare kann sie Tätigkeiten, die sie nur ungerne verrichtet, entspannter meistern. Im Gespräch mit reality bites verrät sie, was sie über die Zeit von Therapeut:innen gelernt hat und was ihr bei ihrem persönlichen Stressmanagement am besten hilft:
- Sportlich sein. Der perfekte Ausgleich zur Arbeit, da hier vor allem auch Muskeln beansprucht werden oder Gelenke bewegt werden, die im Alltag vernachlässigt werden.
- Achtsam sein. Bedeutet, sich auf die Tätigkeiten mit seiner ganzen Aufmerksamkeit zu konzentrieren. Nastasia hat gelernt, dass Essen z. B. nicht etwas ist, das nebenbei stattfindet, vielmehr geht es dabei darum, bewusst darauf zu achten, was die Sinne einem mitteilen. Das Aussehen, der Geschmack, der Geruch… Es gibt so viel, was eine Mahlzeit zu einem wundervollen Erlebnis machen kann.
- Umgebung wechseln. Unsere Arbeit ist emotional an einen bestimmten Ort gebunden. Diesen Ort für 10 bis 20 Minuten zu verlassen, kann schon wahre Wunder wirken! Die Wahrscheinlichkeit, auf andere Gedanken zu kommen, ist bei einer veränderten Umgebung definitiv höher.
- Handy weglegen. Das Gefühl, immer auf dem neusten Stand sein zu müssen, und der Zwang, sich selbst zu präsentieren, macht Nastasia häufig unglücklich. Deswegen baut sie oft in ihren Alltag Phasen ein, in denen sie bewusst auf ihr Handy verzichtet.
Das Leben als Rollenspiel?
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