Alleinerziehend
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„Für mich ist es unvorstellbar, wie es ist, zwei Elternteile zu haben. Meine Mutter ist nicht nur meine Mutter, sie hat auch sämtliche Vaterrollen übernommen. Sei es im Kindergarten beim „Vater-Kind“-Tag oder beim Tanz auf dem Abiball. Sie hat immer hart dafür gekämpft, dass ich keine ihrer Sorgen mitbekam. Sie hat mir alles ermöglicht, was sie nur konnte. Die Klassenfahrt? „Kein Problem, mein Schatz. Das schaffen wir.” Was ich nicht wusste: Es war nicht so einfach, wie sie immer tat. Damit ich bei der Klassenfahrt dabei sein konnte, musste sie einige Behördengänge absolvieren. Und nichts davon habe ich je mitbekommen“, sagt Anna. „Ich hatte eine unbeschwerte Kindheit und dafür bin ich meiner Mutter unendlich dankbar. Für mich ist sie eine wahre Heldin und Kämpferin.“  

So wie alle anderen alleinerziehenden Mamas und Papas auch. Was man als Kind aber nicht wusste und heute vielen Erwachsenen sicherlich auch nicht bewusst ist: Alleinerziehende werden in allen möglichen Situationen und Entscheidungen allein gelassen. Wie soll ich meinen Beruf, den alltäglichen Haushalt und die Betreuung meines Kindes nur hinkriegen? Und was ist mit den Finanzen? Diese Fragen verursachen häufig große Sorgen und eine starke Verunsicherung und sie beschäftigt immer mehr Eltern. Laut Robert Koch-Institut leben rund 20 % aller minderjähriger Kindern mit einem alleinerziehenden Elternteil in einem Haushalt. (1)

Auch Kerstin Mink, Rechtsanwältin in Köln, betont, dass „man nicht aus den Augen verlieren darf, dass viele Alleinerziehende nicht nur unter sozialer Armut leiden, weil sie plötzlich allein dastehen, sondern auch dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind.“

Es ist ganz normal, dass man Zeit braucht, um alle möglichen Dinge zu klären und sich auf die Situation einzustellen. Diese Zeit solltest Du Dir auch auf jeden Fall nehmen, denn erst, wenn Du stark für Dich sein kannst, kannst Du es auch für Dein(e) Kind(er) sein. Das bestätigt auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter: „Viele (…) erzählen immer wieder, dass das Hineingeworfenwerden in diese fordernde Lebenssituation vorher nicht gekannte Kräfte geweckt und persönliche Stärken zum Vorschein gebracht hat.“ (2)

Was kann ich verändern, um mehr Kraft zu tanken und mir als stark belastete alleinerziehende Person Ruhepausen zu ermöglichen?

Erhebungen des Robert Koch-Instituts zeigen, Alleinerziehende leiden deutlich häufiger an Depressionen, Rückenschmerzen, Übergewicht und Rauchen. (1)

Wichtig ist die Einsicht: Möchte ich, dass es meinem Kind gut geht, muss ich damit anfangen, mir selbst Gutes zu tun. Denn wenn Du enorm gestresst und ausgelaugt bist, kannst Du unmöglich das erforderliche Ausmaß an Geduld, Konsequenz und Ruhe mitbringen, das Dein Kind von Dir benötigt.

Aber wie fange ich an?

  1. Plane diese Woche fest ein, Dir eine Stunde Zeit zu nehmen und Dir ganz in Ruhe zu überlegen, durch welche Aktivitäten Du Kraft tanken kannst. Eine Badewanne mit Hörbuch? Ein paar Stunden in der Sauna? Ein Spaziergang im Wald? Ein Abendessen mit Freunden ohne Kinder? Eine neue Sportroutine?
  2. Wann kannst Du Dir Zeit dafür nehmen? Kannst Du jede Woche regelmäßige Zeiten für Dich reservieren? Oder funktioniert es für Dich besser, jeden Sonntag Deine „Ich-Zeit“ für die Woche zu planen? Planung ist das A und O! Denn wenn Du auf eine spontane Gelegenheit wartest, kommt als alleinerziehende Person dann doch immer etwas dazwischen. Vielleicht hängst Du in Eurer Küche einen Kalender auf, in dem Du Deine „Ich-Zeiten“ anhand der Aktivitäten Deines Kindes planst.

Wichtig: Helfer haben oft Schwierigkeiten, selbst um Hilfe zu bitten. Aber: Du tust schon so viel! Lasse es zu, dass andere Dir helfen und ermögliche Dir so, die Kindheit Deiner Kinder zu genießen. In zehn Jahren möchtest Du sagen können: Ich habe so viele tolle Erinnerungen mit meinen Kindern und bin froh, dass diese Jahre nicht durch die Brille der völligen Erschöpfung verschwimmen.

  1. Wer kann Dich unterstützen, sodass Du Zeit für Dich hast? Wie ist Dein soziales Umfeld strukturiert? Deine Familie, Deine Freunde? Übt Dein Kind einen Sport aus, sodass Du während des Trainings, Spielens oder bei Wettkämpfen Zeit für Dich hast? Kannst Du mit Eltern von Freunden feste Verabredungen (am Wochenende vielleicht inklusive Übernachtungen) ausmachen, sodass Ihr Euch gegenseitig entlastet? Gibt es in den Ferien eine Freizeit, an der Dein Kind teilnehmen kann? Diese können von Sportvereinen, gemeinnützigen Vereinen, der Kirche oder anderen Trägern organisiert sein.

Tipp: Häufig sind Lehrer über solche Angebote gut informiert. Auch der Austausch mit anderen Eltern im Alter Deines Kindes kann wertvolle Tipps bereithalten. Ebenso lohnt es sich, Beratungs- und Vernetzungsangebote von beispielsweise ProFamilia in Anspruch zu nehmen. Informiere Dich bei der Beratungsstelle in Deiner Nähe, welche Angebote Du in Anspruch nehmen kannst. ProFamilia hat außerdem ein tolles und kostenloses Beratungsangebot rund um das Thema „Alleinerziehend“ (3), inklusive finanzieller Beratungsangebote, psychologischer Unterstützung für Dich und bei Bedarf auch für Deine Kinder. Manche Beratungsstellen bieten außerdem auch monatliche Treffen für Alleinerziehende an. Informiere Dich online, telefonisch oder vor Ort bei Deiner Beratungsstelle nach einem passenden Angebot für Dich.

  1. Bleibe am Ball! Sorge gut für Dich und nimm Dir immer wieder Zeit für Dich! Wichtig ist, dass Du einerseits regelmäßige (vielleicht auch kürzere) Zeiten für Dich hast. Andererseits kann es sehr wichtig sein, dass Du aber auch mal einen Urlaub vom Mama-Alltag hast! Und auch Deine Kinder können während einer Woche mit Gleichaltrigen auf einer Ferienfreizeit, bei den Großeltern oder anderen Familienmitgliedern oder Freunden tolle, selbstständige Erfahrungen machen. Sind sie dann wieder zu Hause, und Du erholt, können sie Dir von all ihren aufregenden Abenteuern erzählen.
 

Diese Kräfte und Stärken braucht man dann auch, um alle Fragen rund um Unterhaltsansprüche, sozialrechtliche Regelungen, Sorge- und Umgangsrecht, Kinderbetreuung, Erwerbstätigkeit etc. zu klären. So können alleinerziehende bspw. Elterngeld für bis zu maximal 14 Monate beantragen. Auch der Kinderzuschlag wird dann angehoben, weil das zuständige Amt von höheren Haushaltskosten ausgeht. In der Lohnsteuererklärung kann der Entlastungsbetrag steuerlich geltend gemacht werden. Nicht zu vergessen ist das Kindergeld. Kommt der Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nach, gibt es die Möglichkeit auf einen Unterhaltsvorschuss.

Gerade weil ein Großteil der Alleinerziehenden keinen Unterhalt vom anderen Elternteil bekommt, ist das Einkommen sehr gering. Ob man keinen Unterhalt zahlen kann oder ob man es einfach nicht will, sei dahingestellt. Fakt ist allerdings, dass alleinerziehende Eltern oftmals auf staatliche Hilfe angewiesen sind und der staatliche Unterhalt für das Kind häufig unter dem liegt, was dem Kind an Unterhalt eigentlich zustehen würde. Wenn die Eltern dann auch noch Hartz IV empfangen, wird vom Amt sehr gründlich geprüft, ob die Betroffenen auch wirklich nicht zu viel Geld bekommen. Viele Alleinerziehende sind daher der Meinung, dass das Einkommen vor allem bei demjenigen Elternteil, der nicht für den Unterhalt aufkommt, genauer geprüft werden sollte. Gerade einmal jeder vierte Vater zahlt den Unterhalt, der dem Kind zusteht. Viele dieser Zahlen spiegeln dabei das klassische Familienbild wider, in dem der Vater als Mehrverdiener unterhaltsschuldig ist. Diese Statistiken könnten sich in den kommenden Jahren aufgrund der deutlich vermehrten Berufstätigkeit von Müttern verändern.

Eine wichtige Einnahmequelle ist auch das Kindergeld bzw. der Kinderzuschlag (s. auch „Starke-Familien-Gesetz“). Dies steht jedem Kind bzw. dem Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, zu. Allerdings wird das Kindergeld von der Unterhaltsverpflichtung des anderen Elternteils abgezogen (abhängig vom Alter des Kindes) und mindert so die Unterhaltszahlung.

Warum Alleinerziehende häufig auf der Strecke bleiben, lässt sich zum Teil damit erklären, dass ein Elternteil nach der Geburt des Kindes beruflich oft kürzertritt und somit finanziell auf den Partner angewiesen ist. Kommt es dann zur Trennung, steht dieser Elternteil quasi vor dem Nichts. Dann müssen die Kinder ohne viel Geld versorgt werden, vielleicht steht sogar ein Umzug an, weil die Kosten für das ehemalige Zuhause für einen Verdienenden nicht zu bewerkstelligen sind. Das führt dazu, dass man sich als Alleinerziehende/r oft hilflos und nutzlos fühlt. Das muss man aber keinesfalls, denn Alleinerziehende sind wortwörtlich wahre Helden.

Kerstin Mink weist darauf hin, dass Alleinerziehende ein soziales Netzwerk, bestehend aus Familie, Freunden, Gleichgesinnten und Nachbarn, am dringendsten benötigen. Auch die Caritas (4) rät:

Zusammen ist man weniger allein!

Es ist klar: Alleinerziehend zu sein, ist nicht immer einfach und kostet sehr viele Nerven. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht auch schön sein kann, eine Ein-Eltern-Familie zu haben. Vielleicht ist es so sogar noch besser. Ihr wachst als Familie immer fester zusammen und das auch, wenn es nicht perfekt läuft. Perfekt ist es nämlich in keiner Familie.

Tipp: Binde Dein Kind in zumutbare und altersgerechte Alltagsaufgaben ein. So kann Dein Kind vielleicht die feste Aufgabe haben, die Spülmaschine auszuräumen, die Wäsche aufzuhängen, auch mal einkaufen zu gehen oder ab einem bestimmten Alter auch Mahlzeiten zuzubereiten. Dein Kind kann durchaus davon profitieren, Verantwortung zu übernehmen und somit in seiner Selbstständigkeit gestärkt werden. Wir alle wissen, es ist ein tolles Gefühl etwas Neues zu lernen und jemand anderem eine Hilfe zu sein. Eine win-win Situation, indem Dir so kleine Alltagsaufgaben abgenommen werden. Wichtig ist hier: Transparenz und offene Kommunikation. Frage Dein Kind, welche Aufgaben es im Alltag übernehmen könnte und trefft feste Absprachen. So kann sich jeder auf den anderen verlassen und es entstehen keine unausgesprochenen Erwartungen. Außerdem: Checkt regelmäßig, ob Eure Aufgabenverteilung für Euch funktioniert. In Eurer Beziehung zueinander bist Du nach wie vor die erwachsene Person. Habe ein Auge darauf, ob Dein Kind im Alltag eine angemessene Beschäftigung hat oder potentiell überfordert sein könnte. Passt die Aufgaben dann gegebenenfalls an. Signalisiere Deinem Kind stets: Ich, als Dein Elternteil, achte auf Dich als Kind.

Alleinerziehende Eltern müssen sich tagtäglich mit vielen Hürden und Herausforderungen auseinandersetzen. Wichtig ist, dass von der Gesellschaft erkannt wird, dass Alleinerziehende da sind. Dass sie akzeptiert werden und bei Herausforderungen genügend Solidarität und Unterstützung erfahren.

Wenn auch Du alleinerziehend bist und Dich mit anderen einfach austauschen und Deine Erfahrungen teilen möchtest, dann melde Dich gerne bei uns:

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Hast Du Sorgen und benötigst Du Rat oder Hilfe, dann wende Dich gerne an unsere Experten, wie z. B. Kerstin Mink.

Dein Team von reality bites.

Quellen: