Schulstress – die Schule macht mein Kind krank
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„Schlechte” Noten, unendlich viele Hausaufgaben, keine Zeit für Hobbies, vielleicht steht sogar Nachhilfe auf der To-Do-Liste, um halbwegs hinterherzukommen, und der ständige Druck von außerhalb: All diese Faktoren führen in vielen Fällen zu Schulstress und können sogar krank machen. Für die Schüler ist das kräftezehrend, aber auch für die Eltern oder nahestehenden Verwandten ist die Situation schwer zu ertragen. Schließlich möchte man als Elternteil nur das Beste für sein Kind.

Ben sitzt mit seinem Sohn Felix vor den Mathe-Hausaufgaben. Felix ist in der zehnten Klasse und mittlerweile steht Wahrscheinlichkeitsrechnung und ähnliches auf dem Programm. Felix war noch nie der Überflieger in Mathe. Hat sich vielmehr gerade so durchgeschlagen. Aber jetzt kommt er wirklich an seine Grenzen, sitzt bis spät abends vor seinen Hausaufgaben und sieht seine Freunde kaum noch. Für Hobbies findet er keine Zeit. Die Angst vor den Prüfungen verfolgt ihn bis in den Schlaf.

Sprüche wie: „Jetzt leg doch mal endlich das Handy weg und mach was für die Schule!”, oder: „Du sollst in Deinem Leben mal etwas erreichen können und dafür musst Du jetzt etwas tun!”, gehören bei vielen Familien mittlerweile zur alltäglichen Konversation. Als Kind weiß man: Das nervt. Man fühlt sich herumkommandiert. Aber als Elternteil weiß man eben auch, wie wichtig es ist, die Schule ernst zu nehmen. Auch wir Eltern waren mal jung und haben den Schulstress am eigenen Leibe erfahren. Die Phrasen, die unsere Eltern uns dann auf uns einprasseln ließen, wollten wir da auch nicht ernst nehmen. Heute weiß man die Bemühungen überhaupt erst zu schätzen, weil man – jetzt selbst Eltern – merkt, dass die eigenen Eltern dann doch Recht hatten. Aber als Eltern hat man nicht nur die Aufgabe, die Schulaufgaben zu kontrollieren, sondern auch das Wohlbefinden der Kinder im Auge zu behalten. Bei vielen Schülerinnen und Schülern zeigen sich zunehmend Leistungsdruck und die Folgen von Schulstress.

„Fast jeder zweiter Schüler leidet unter Stress” (www.aerzteblatt.de).

Und dieses Phänomen nimmt stetig zu. Eine Studie des Nachhilfeportals Studienkreis hat das Stressempfinden von deutschen Schülerinnen und Schülern untersucht. Die Statistik zeigt, dass sich etwa 72 % der Befragten mindestens einmal wöchentlich durch die Schule gestresst fühlen. Dabei sind Schülerinnen stärker vom Schulstress und Leistungsdruck betroffen als Schüler (www.rnd.de).
 

Mittwochabend 22:30 Uhr: Ben und Felix sitzen immer noch vor den Mathehausaufgaben und versuchen diese zu lösen. Ohne Erfolg. Das Ganze endet in Streit, Geschrei und fließenden Tränen. „Felix, ich kann nicht mehr machen, als es Dir zu erklären. Die Aufgaben musst Du schon selbst lösen. Ich kann Dir ja schlecht alles vorsagen, davon lernst Du auch nichts. Pack die Sachen jetzt weg, das bringt nichts mehr. Morgen fragst Du Deinen Lehrer, ob er Dir das nochmal erklären kann.” Felix schweigt nur, sitzt wie erstarrt vor seinem Arbeitsheft und wartet darauf, dass sein Vater endlich geht. Er ist genervt. Kaputt. Fertig. Ausgelaugt. Und sauer. Sauer auf sich, auf seinen Vater, auf alles und jeden. „Wer braucht den Mist überhaupt? Warum kann man nicht einfach das machen, was man im späteren Leben auch wirklich brauchen kann? Ich kann nicht mehr und will auch nicht mehr in die Schule gehen, aber ich muss es irgendwie schaffen.” Das ist es, was er innerlich denkt. Er leidet unter dem Druck seines Vaters. Unter dem Druck der Schule und auch unter dem Druck, den er sich selber macht. Er verbindet mit Schule eigentlich nur noch Druck.

Jeder von uns hatte in irgendeiner Form einen gewissen Schulstress. Aber wie zeigt sich der Schulstress überhaupt? Was sind die Symptome von Schulstress? Der Körper ist bei Stress in Alarmbereitschaft. Sowohl der Herzschlag als auch die Atmung werden zunehmend schneller und der Körper reagiert darauf. Das ist eine ganz natürliche Reaktion und die hat eigentlich auch etwas Gutes. Diese Reaktion kann nämlich dazu führen, dass wir, auch Kinder, beispielsweise in Prüfungssituationen kurzfristig leistungsfähiger werden. Natürlich gibt es auch hier eine Kehrseite. Zu viel Schulstress kann zu einem dauerhaften Zustand werden, der auch gefährliche Formen annehmen kann. Körper und Psyche leiden zunehmend unter den Auswirkungen des Schulstresses.

Wie wird Schule zum Stressfaktor?

Es gibt viele Ursachen wie Schulstress ausgelöst wird. Sei es durch die Eltern, Mitschüler, Lehrer oder das Schuldkind selbst. Zum Beispiel wenn der Alltag innerhalb der Schule zu viele Aufgaben mit sich bringt und das Kind diesen Aufgaben quantitativ oder qualitativ nicht gewachsen ist. Am meisten Druck machen sich die Schüler selbst, weil sie besser in der Schule sein möchten. Das gaben 63 % der befragten Schülerinnen und Schüler an. Was viele sich kaum vorstellen können: Schulstress kann sogar schon zu einem großen Problem in der Grundschule werden. Nämlich dann, wenn es um die Frage geht, auf welche weiterführende Schule das Kind gehen soll. Jeder möchte das Beste für sein Kind. Aber das Beste bedeutet ja nicht zwangsläufig, die Schullaufbahn auf dem Gymnasium einzuschlagen. Damit kann sogar das komplette Gegenteil bewirkt werden. Es gibt jedoch noch zahlreiche andere Auslöser für Schulstress, wie zum Beispiel Prüfungsangst, der Druck von außerhalb bei schlechten Noten, Überreizung durch Lärm oder eine gefährdete Versetzung.

Das war auch bei Felix der Fall: Prüfungsangst und der Druck durch seine Eltern bei schlechten Noten. „Mir selbst war es gar nicht bewusst, dass wir so einen Druck auf Felix ausgeübt haben. Wir wollten ja nur das Beste für ihn. Weil wir selbst wissen, wie es ist, nicht viel zu haben und auch mal am Ende des Monats jeden Pfennig dreimal umdrehen zu müssen… Das möchten wir Felix ersparen. Er soll es einmal besser haben als wir und sich auch mal etwas leisten können.”
 
 
Für Christian Zinner, Heilpraktiker für Psychotherapie in Düsseldorf, ist einer der größten Missstände heutzutage, dass Bildung deutlich vor Bindung geschoben wird: „Bereits in der Kindheit liegt der Schwerpunkt auf Bildung und nicht mehr so sehr auf der Qualität der Bindung und der Beziehung. Ich sehe eine große Schwierigkeit darin, dass viele Eltern sich gar nicht so gut auf ihre Kinder einlassen können auf einer tieferen Beziehungsebene, die die Kinder eigentlich bräuchten.“
 
Felix Mutter hat glücklicherweise gemerkt, dass sich ihr Sohn immer mehr zurückzog, keine Freude mehr an der Schule hatte und auch seine Lebensfreude insgesamt dahin schwand. Sie hatte enorme Angst, dass er dem Druck nicht mehr lange standhalten würde und hat das Gespräch zu ihm gesucht. „Als er dann in Tränen ausgebrochen ist, hat es mir das Herz zerbrochen. Ich musste etwas unternehmen und konnte nicht dabei zusehen, wie mein Kind durch den Schulstress und den Leistungsdruck immer unglücklicher wird.” Deshalb ist sie am nächsten Tag mit in die Schule gegangen und hat mit der Klassenlehrerin ihres Sohnes gesprochen.
 

Was sind Symptome für Schulstress?

Die Symptome für Schulstress sind sehr vielfältig und reichen von körperlichen Beschwerden bis hin zu psychischen Leiden. Nachfolgend eine Auflistung der meisten Symptome, die sich laut der Oberbergkliniken, bei Schulstress erkenntlich machen (www.oberbergkliniken.de):

• plötzlicher Leistungsabfall

• Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Durchfall

• soziale Abschottung

• Depressionen

• Angst

• Störung der Aufmerksamkeit

• Fingernägelkauen oder Knabbern an Haarspitzen

• Gereiztheit

• Essstörungen

• Konzentrationsschwierigkeiten

• Bettnässen

• Aggressivität

• Niedergeschlagenheit

• Schlafstörungen

 

Häufig überschneiden sich die Symptome mit einem auffälligen Verhalten. Die Folgen von Schulstress ergeben sich aus diesen Symptomen. Viele betroffene Schülerinnen und Schüler isolieren sich aus ihrem sozialen Umfeld, schlafen schlechter – auch durch Albträume verursacht – und ihre Leistungen werden durch Konzentrationsschwierigkeiten zunehmend schlechter. Somit ist die Frage, ob Schulstress krank machen kann, auch beantwortet: Ja! Schulstress und Leistungsdruck rufen in den meisten Fällen die oben genannten Symptome hervor. Dadurch können sowohl körperliche als auch psychische Krankheitsbilder auftreten.

Felix und seine Mutter haben gemeinsam mit der Klassenlehrerin über seine Probleme gesprochen. Dabei ist
herausgekommen, dass es in der Klasse sehr vielen so geht wie ihm. Gemeinsam mit der Klasse wollen sie nun einen Weg finden, wie sie gegen den Schulstress vorgehen können. Geplant sind wöchentlich hausaufgabenfreie Tage und
Lernstunden, in denen die Hausaufgaben gemeinsam erledigt werden können. Auch achten die Lehrerinnen und Lehrer vermehrt darauf, gezielter und individueller Hausaufgaben aufzugeben, um den Leistungsdruck ein wenig zu nehmen.

Wie können Eltern bei Schulstress ihre Kinder unterstützen?

  • Als Eltern solltet Ihr auf die Warnsignale achten. Hört aktiv zu, was Eure Kinder Euch sagen und nehmt die Sorgen Eurer Kinder ernst. Über Probleme muss gesprochen werden. Vielleicht fallen Euch ja direkt Lösungen ein und Ihr schafft es im Miteinander zu einem besseren sowie entspannteren Lernklima zu Hause, was für alle angenehm ist.
  • Macht Euch bewusst: Es geht nicht nur um das Ergebnis, sondern auch darum, dass sich das Kind angestrengt hat und es auch weiterhin tut. Auch wenn es einen Rückschlag gibt. Wenn mal eine schlechtere Note dabei ist, bedeutet das nicht sofort, dass die Welt untergeht. Das Kind soll diese Botschaft verstehen, wiederholt es also auch ruhig öfter.
  • Es ist wichtig, das Kind nicht bei schlechten Noten zu bestrafen. Besser ist es, das Kind in dem zu unterstützen, was es tut und gut kann. So könnt Ihr auch das Selbstbewusstsein Eures Kindes aufbauen und stärken.
  • Entspannte Momente zu Hause sind von riesiger Bedeutung. Freie Zeit, in der das Kind machen kann, was es möchte, gehört auch dazu. Es kann sich nicht alles nur um die Schule drehen.

Welche Mittel gegen Schulstress gibt es?

  1.  Schule regiert nicht die Welt. Es gibt ein Leben neben und nach der Schule. Dass Schule die Persönlichkeiten der Schülerinnen und Schüler kaum fördert, wissen wir mittlerweile auch. Lasst die Schulthemen auch in der Schule. Zu Hause muss man sich ausruhen und abschalten können. Das gelingt nicht, wenn die Schule zum Dauerthema wird.
  2. Auf Prüfungen kann sich das Kind mit einem Plan vorbereiten. Was soll gelernt werden? Führt bestimmte Zeiten und ausreichend Pausen ein. Nutzt Medien hierfür gerne, anstatt sie zu verbieten. Manch einer kann auf dem Tablet oder Laptop besser lernen. Hier können sich dann auch passende Lernvideos angesehen werden.
  3. Räumt genug Freizeit ein. Das ist wichtig, um wirklich abschalten und regenerieren zu können. So könnt Ihr und Eure Kinder mit dem Schulstress besser umgehen und den Lernstress bewältigen.  

Für Felix hat sich diese Regelung bewährt. Ein halbes Jahr später treffen wir ihn und seine Familie erneut. Mittlerweile ist er sogar der Schüler-helfen-Schülern-AG beigetreten und unterstützt andere Schülerinnen und Schüler, wenn sie ein Problem oder Fragen zu ihren Hausaufgaben haben. Seine Eltern sind sich sicher: „Er bekommt das wunderbar hin. Wir sind so stolz auf ihn und dankbar, dass die Schule so kooperativ ist. Das hat wirklich vielen, vielen Schülerinnen und Schülern geholfen. Endlich hat er auch wieder Zeit für sich und wir sind sogar froh darum, dass er mal Zeit hat, um auf seiner Konsole zu spielen.”

Hat Euer Kind Stress in und mit der Schule? Wie geht Ihr damit um?

Schreibt uns gerne Eure Tipps an:

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Euer Team von reality bites.

Bilder: www.unsplash.com