Wir sind getrennt. Und trotzdem gute Eltern!
Liebe, Heirat, Familiengründung. Glücklich und zufrieden zusammenleben. In guten wie in schlechten Zeiten… bis dass der Tod uns scheidet? Diese Vorstellung ist schon eine wahre Seltenheit geworden. Die Realität sieht heute oft anders aus. Wir leben in einer schnelleren Zeit. Trennungen vom jeweiligen Lebensabschnittsgefährten sind weit verbreitet. Heutzutage ist es in Ordnung, andere Wege einzuschlagen. Wir dürfen mutiger sein und müssen uns nicht dem hingeben, was eigentlich keinen Sinn mehr hat. Schwieriger wird es allerdings, wenn Kinder involviert sind. Bedeutet eine Trennung oder Scheidung auch gleich das Aus für die Familienbeziehung? Wie können da Wege gefunden werden, die alle Beteiligten gehen können und auch möchten?
Elke und Franz streiten sich. Erneut. Und schon wieder über eines der Themen, über die sie schon seit langem streiten. Er schreit sie an. Sie schreit zurück und er flüchtet kurze Zeit später aus dem Haus, weil es ihm zu viel ist. Nun sitzt sie da. Wieder allein. Wieder fassungslos, dass der Streit so ausarten konnte. Wieder den Tränen nahe. Eine Stunde später kommt Franz nach Hause, Elke sitzt mit einem Glas Wein am Wohnzimmertisch und blickt starr aus dem Fenster. Franz setzt sich ebenfalls an den Tisch, ans gegenüberliegende Ende. „Das kann so nicht weiter gehen“, beginnt Elke. Franz entgegnet nur: „Also findest Du auch, dass wir uns scheiden lassen sollten, oder? Aber was ist mit den Kindern?“
Elke und Franz sind beide Mitte 40, seit 15 Jahren verheiratet und haben zwei Kinder.
Elke und Franz stehen nicht alleine da. In Deutschland gibt es viele getrennte Eltern. Lt. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hatte im Jahr 2019 ungefähr die Hälfte der geschiedenen Ehepaare, d. h. ca. 75.000, minderjährige Kinder. Davon hatten über 50 % ein Kind, ca. 40 % zwei Kinder, wie Elke und Franz, und ca. 10
% drei oder mehr Kinder.
Trennung mit Kindern – in dieser Situation ergeben sich zahlreiche Fragen, denen man sich als Eltern stellen muss. Denn eins ist klar: Eltern bleibt man! Aber: Welche Pflichten haben getrennte Eltern? Wie erzählt man den Kindern überhaupt von der Trennung? Und wie reagieren Kinder, wenn sich die Eltern trennen?
Elke wusste es nicht. Sie wusste in dem Moment gar nichts mehr. Der eine Satz ihres Mannes hatte sie so aus der Bahn geworfen, obwohl sie innerlich das Gleiche dachte und auch für das Beste hielt. Aber den Gedanken laut auszusprechen, bereitete Elke dann doch irgendwie Magenschmerzen. Dennoch stimmte sie Franz zu und versuchte sich beiden Mut zu machen: „Da kommt eine Menge auf uns zu… aber vielleicht wird dann alles besser.“ Und sie behielt zunächst beim ersten Punkt recht: Da kam eine Menge auf sie zu. Angefangen damit, den passenden Zeitpunkt finden, um den Kindern schonend die Trennung mitzuteilen.
Wie erzählt man seinen Kindern am besten von der Trennung der Eltern?
„Was mir… was uns wirklich schwerfiel, war die Trennung unseren Kindern zu beichten. Das klingt total dramatisch, aber es war wirklich eines der schwersten Dinge, die ich je tun musste“, sagt Elke. Auch Franz erging es nicht anders. Er hat sich viele Gedanken darüber gemacht, wie die Kinder auf diese Nachricht reagieren würden. Auf sein Drängen haben sie sich mit ihren Kindern gemeinsam an einen Tisch gesetzt und versucht, ihre Trennung symbolisch darzustellen.
Das empfiehlt auch Dorothee Ellerbrake, Diplom-Betriebswirtin sowie Familien- und Paarberaterin in Düsseldorf: „Insbesondere wenn die Kinder noch klein sind, kann man ihnen mit spielerischen Mitteln die Trennung beibringen. Dafür gibt es bewährte Methoden. Es ist enorm wichtig, dass die Eltern beide mit dem Kind oder den Kindern sprechen. Kinder brauchen ein gemeinsames Signal: Wir sind beide weiterhin für dich/euch da!“ Je nach Alter sei das Vorgehen jedoch sehr unterschiedlich. Und so unterschiedlich das Vorgehen ist, so unterschiedlich reagieren Kinder auch auf die Botschaft, dass die Eltern sich trennen. Schließlich ist es ja nicht nur für die Eltern, sondern auch für ihre Kinder eine völlig neue Situation, mit der man erst einmal lernen muss umzugehen. Ellerbrake: „Es hängt entscheidend davon ab, wie die Eltern jeweils mit der Trennung emotional umgehen. War die Trennung eine einseitig getroffene Entscheidung, hat also einer von beiden schon lange diese Entscheidung gefällt und ist im Verarbeitungsprozess weiter? Je „besser“ Mutter und Vater mit der Trennungssituation umgehen können, desto besser geht es dem Kind. Es ist allerdings eine Mammutaufgabe für denjenigen, der am liebsten noch in der Beziehung wäre, wenn sich der andere für das Ende der Beziehung bereits entschieden hat. Sich dann in dem Schmerz um das Wohl der Kinder zu kümmern, ist eine herausfordernde Aufgabe. Sich da Unterstützung von Freunden, Verwandten oder auch professioneller Natur zu holen, ist eine sehr gute Idee.“
Elke haderte jedoch lange mit der Entscheidung, sich tatsächlich zu trennen: „Die Kinder waren doch gerade erst acht und zehn Jahre alt. Ich habe mich oft gefragt, ob wir nicht doch noch ein paar Jahre hätten aushalten können bis die Kinder älter sind und es dann vielleicht besser verstehen.“
„Nicht wenige Paare bleiben tatsächlich „wegen der Kinder“ zusammen“, sagt Ellerbrake. „Man möchte weder ihnen noch dem Umfeld die Trennung zumuten. Es ist jedoch ein Irrglaube, dass die Trennung der Eltern für Kinder im Erwachsenenalter leichter zu verkraften ist. Wenn das Kind heraushört, dass seine Eltern oder zumindest ein Elternteil nur seinetwegen zusammengeblieben sind, kann das massive Schuldgefühle auslösen. Diese können sich auch auf die späteren Paarbeziehungen der Kinder auswirken.“
Insbesondere Elke war es auch, die mit vielen emotionalen Tiefs zu kämpfen hatte. Sie wollte nur das Beste für die Kinder, wollte voll und ganz für sie da sein, hatte aber in dieser Trennungssituation genug mit sich selbst zu tun. „Immerhin konnte ich mir hin und wieder eine Auszeit nehmen, dann hat sich Franz um die Kinder gekümmert. So konnte ich mich mehrfach bei meiner besten Freundin ausheulen, die mir auch manchmal den Kopf gewaschen hat. Das tat zuerst mal weg, hat mich aber rückblickend immer ordentlich nach vorne gebracht. Ohne sie hätte ich deutlich länger gebraucht, mich wieder zurecht zu rütteln.“
Dorothee Ellerbrake findet Elkes Empfindungen und Verhalten völlig normal. „Wir gehen alle durch Phasen als Eltern, sind mal mehr, mal weniger gut drauf. Es passiert halt das Leben! In einer Trennung ist zugegebenermaßen die Belastung sehr hoch. Es gehen Sorgen und Ungewissheit, wie es weitergeht, Hand in Hand. Da ist es Gold wert, wenn die Betroffenen gute Freund*innen haben, mit denen sie sich austauschen können. Wenn man merkt, dass man gar nicht weiterkommt, kann professionelle Unterstützung weiterhelfen.“
Auch wenn Elke sich schwerer tat mit dem Trennungsprozess, sie hat immer ihr Augenmerk auf die Kinder gelegt und sich in erster Linie um sie gekümmert und es so geschafft, dass die Kinder Kinder bleiben konnten.
Während des Trennungsprozesses und auch danach besteht die Gefahr der Parentifizierung. „Parentifizierung bedeutet“, erklärt Dorothee Ellerbrake, „dass Kinder in die Rolle schlüpfen, die sonst den Eltern vorbehalten sind. Das ist ein unbewusster Vorgang, der recht häufig in Familien passiert. Wenn sich ein Elternteil beispielsweise besonders schwer tut mit der Trennung, kann das Kind in eine Rolle des „Kümmerers“ schlüpfen und übernimmt unbewusst Verantwortung für die Mutter oder den Vater. Das ist gewissermaßen ein Rollentausch. Aber: Kinder bleiben ein Leben lang Kinder! So wie Eltern ein Leben lang Eltern bleiben. Diese Trennlinie einzuhalten, ist ungeheuer wichtig.“
Weiter merkt Ellerbrake an: „Kinder dürfen übrigens ihren Eltern auch Grenzen aufzeigen, wenn sie in einen Loyalitätskonflikt geraten, indem sie auf eine Seite gezogen werden; auch diesen lösen Eltern oft unbewusst aus. Kinder spüren sofort, dass „da was nicht richtig ist“. Dies sollen sie ihren Eltern gegenüber klar kommunizieren dürfen.“
Wie gelingt der Schwenk vom Paar-
zum Elternsein?
Ellerbrake: „Eltern können das sehr gut hinbekommen, das erlebe ich in meiner Praxis immer wieder. Man ist nun einmal ein Leben lang durch die Kinder verbunden. Nichtsdestotrotz klingt dies oft vor allem für einen Partner wie eine unlösbare Aufgabe. Zu viele Verletzungen haben zu der Trennung geführt. Sich in dieser Gemengelage auch mal zurückzunehmen, ist ein schwieriges Unterfangen. Aber auch wenn eine Trennung ein großer Verlust ist; kooperative Eltern machen es den Kindern unendlich viel leichter!“
Das merkten dann auch Elke und Franz irgendwann: Sie funktionierten wieder zusammen. Nicht mehr als Ehepaar, aber dafür als Team und vor allem zusammen als Eltern. Das war dann auch die Basis für die Sorgerechtslösung. Die Kinder bleiben bei Elke, Elke und Franz haben das gemeinsame Sorgerecht.
Als Eltern geht man davon aus, dass das Sorgerecht beiden zustehen sollte und es das Beste für die Kinder ist. Manche Eltern möchten ihren Verpflichtungen jedoch gar nicht nachkommen. Wer bekommt also das Sorgerecht, wenn sich die Eltern trennen? Und wer entscheidet das? Im Regelfall sieht der Gesetzgeber vor, dass beide Eltern gleichermaßen das Sorgerecht erhalten und somit beide Eltern Entscheidungen im Sinne des Kindes treffen. Mit dem gemeinsamen Sorgerecht soll sichergestellt werden, dass das Kind sich an beide Elternteile wenden kann. Rechtsanwalt Oliver Abel, Köln: „Für Kinder, die in eine Ehe geboren werden, gilt das gemeinsame Sorgerecht der Eltern. Sollten die Eltern zum Geburtszeitpunkt ihres Kindes jedoch nicht verheiratet sein, wird in aller Regel der Mutter das alleinige Sorgerecht zugesprochen, es sei denn, der Vater beantragt das gemeinsame Sorgerecht.“ Wird das alleinige Sorgerecht beantragt, prüft und entscheidet das Familiengericht im Sinne des Kindeswohls. Mit dem gemeinsamen Sorgerecht gehen auch Pflichten einher, die die getrennten Eltern beachten und einhalten müssen.
Welche Rechte und Pflichten haben getrennte Eltern?
Bekommen beide Eltern das Sorgerecht, müssen alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Zu den wichtigen Entscheidungen zählen sogenannte Angelegenheiten von besonderer Bedeutung, d. h. lt. VAMV „Entscheidungen, die nur schwer oder gar nicht zu ändern sind“, wie z. B.:
- die Grundentscheidung, bei welchem Elternteil das Kind lebt,
- die Kita- und Schulauswahl,
- die Vermögenssorge,
- die Gesundheitssorge,
- die Religionszugehörigkeit,
- Grundentscheidungen zum Umgang,
- Medizinische Eingriffe mit der Gefahr von Komplikationen.
Jeder Elternteil hat die Pflicht, den anderen Elternteil über die oben genannten Themen zu informieren. Als Elternteil hat man das Recht, bei jeder Entscheidung, die das Kindeswohl betrifft, einen Widerspruch einzulegen. Im Großen und Ganzen sollte es aber eine Kompromissbereitschaft zwischen den Eltern geben, damit einvernehmliche Lösungen getroffen werden können, die im Interesse des Kindes sind. Das kommt dann auch den Eltern zugute. Dennoch gilt: Wird man sich nicht einig, kann das Familiengericht jederzeit eingeschaltet werden. Man sollte sich hier jedoch bewusst machen, dass dann fremde Menschen über das Wohl des Kindes entscheiden, ohne die Umstände im Detail zu kennen.
Für Elke und Franz war die Scheidung eine gute Lösung. Das bedeutet aber nicht, dass sie währenddessen keine Probleme oder Reibereien hatten. Auch bei ihnen gab es Streit, als es zu einigen Kindeswohlentscheidungen kam. Er wollte mit den Kindern und seiner neuen Partnerin in den Urlaub. Elke war dagegen, weil sie die neue Partnerin nicht kannte und ein schlechtes Gefühl hatte. Das hat für enormen Zündstoff gesorgt. Schließlich haben sie sich aber darauf geeinigt, dass Elke seine neue Partnerin vorher kennenlernt.
Darf ein Elternteil allein entscheiden?
Ja. Bei Angelegenheiten des alltäglichen Lebens dürfen auch Entscheidungen ohne die Zustimmung des anderen Elternteils getroffen werden. Das sind Entscheidungen, die nicht endgültig sind und somit keine unabsehbaren Auswirkungen auf das Kindeswohl haben:
- Schlafenszeit,
- Bekleidung,
- schulischer Alltag,
- Umgang mit kleinen Geldgeschenken,
- Taschengeld,
- Fernseh- und Medienkonsum,
- Ernährung,
- gewöhnliche medizinische Versorgung (u. a. leichtere Verletzungen, Kinderkrankheiten, Zahnbehandlungen).
Zu den Pflichten von Eltern gehört auch der Kindesunterhalt. Üblicherweise wird vom Gesetzgeber davon ausgegangen, dass beide Elternteile gleichermaßen für den Unterhalt des Kindes aufkommen. Leben die Eltern jedoch getrennt, dann kommen zwar auch beide Eltern für den Kindesunterhalt auf, hier richtet sich Unterhaltsbedarf jedoch nach dem Einkommen und Vermögen der Eltern.
Franz und Elke sind mit ihren Kindern im Kino. Sie wartet mit ihrer Tochter in der Lounge, während Franz mit seinem Sohn in der Popcorn- und Getränkeschlange steht. Als es so weit ist, kommen sie an einem Plakat vorbei, über das Franz einen Witz macht und damit Elke neckt. Alle lachen. Alle sind glücklich. Die Kinder und auch die Eltern. „Für uns war die Scheidung das Beste, was passieren konnte. Wir verstehen und super und auch den Kindern geht es mit der Entscheidung gut. Sie haben es von Anfang an super aufgefasst und uns durch ihre positive Art sehr geholfen, über den Trennungsschmerz hinwegzukommen. Es war gut und notwendig, dass wir diesen Schritt gegangen sind.“
Zusammengefasste Tipps von Dorothee Ellerbrake:
- Zunächst als Eltern klären, wie man sich die Situation (z. B. die Wohnsituation oder den Umgang) nach der Trennung vorstellt. Erst dann gemeinsam mit den Kindern sprechen.
- Versuchen, nach wie vor zeitlich und emotional für die Kinder da zu sein.
- (Weiterhin bestehende) Konflikte nicht vor den Kindern austragen.
- Direkte Kommunikation suchen und nicht die Kinder als Sprachrohr benutzen.
- Einen neuen Partner erst dann vorstellen, wenn es ernst ist.
- Sich bewusst machen, dass beide Partner ihren Teil zum Ende der Beziehung beigetragen haben.
- Die Kinder fragen, wie es ihnen in der Situation geht; das geht häufig unter – auch seitens der Familie und des Freundeskreises – da sich vieles um das Wohlbefinden des sich in Trennung befindlichen Paares dreht.
Dorothee Ellerbrake ist in unseren Reihen die Expertin rund um das Thema Familie als auch Partnerschaft und unterstützt bei Trennungsthemen. Wenn Ihr Interesse habt, Euch fachgerecht informieren und beraten zu lassen, dann könnt Ihr gerne unsere Online-Beratung nutzen. Dorothee Ellerbrake steht Euch mit Rat zur Seite.
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Euer Team von reality bites.
Quellen:
- Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung:
Lebensformen und Haushalte 2019 - RA Oliver Abel, Köln: Sorgerecht! Wer entscheidet, wenn sich die Eltern nach Trennung oder Scheidung streiten? Auf www.anwalt.de
- VAMV – Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Landesverband Berlin e. V.: Tipps und Informationen, Gemeinsames
- Sorgerecht auf vamv-berlin.d
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