Freundschaft Plus als neues Beziehungsmodell?
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Ob feste Beziehung, offene Beziehung oder Konstellationen wie Freundschaft Plus: Wie Du lieben möchtest, ist am Ende Dir überlassen! Bis es aber zu der Entscheidung kommt, ein solches Beziehungsmodell einzuführen, sollte gründlich überlegt werden, wie die Beteiligten sich dazu genau verhalten wollen. Welche Bedeutung hat Freundschaft Plus? Was kann dazu führen, dass Freundschaft Plus nicht funktioniert? Viele offene Fragen, die wir hier versuchen wollen zu klären.

Liebe: Das Höchste aller Gefühle zusammenzufassen, ist eine schwere Aufgabe, wenn nicht sogar die schwerste Aufgabe überhaupt. Nicht umsonst haben sich Menschen jahrhundertelang darüber den Kopf zerbrochen, oft ohne zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen. Unsere Leserin Stefanie, die hier ihre Erfahrungen mit uns teilen möchte, war bislang sieben Jahre lang Single. Wie steht es um die Liebe? Laut ihr finden wir nicht mehr viel von dieser in unserer Lebenswelt:

„Klassische Liebe – dieses echte, intensive Gefühl von Zugehörigkeit, Bindung und Nähe zu einem anderen Menschen – ich weiß nicht, wie häufig es sie da draußen überhaupt noch gibt. Sie hat sicherlich kulturell über die Jahrzehnte verschiedene Beziehungsformen durchlaufen – wir erinnern uns an traditionell enggeschnürte Familien-Korsetts der 50er Jahre bis hin zum Wunschtraum der freien Liebe der 68er Generation. Seit ein paar Jahren nennt sich der klar erkennbare Trend der verbindlichen Unverbindlichkeit die sogenannte Freundschaft Plus“, sagt Stefanie.

Die viele Freiheit und Schnelllebigkeit, die wir heute erleben, lässt uns über Liebe ganz anders nachdenken, als das einmal vor vielen Jahren der Fall war. Passend zum Zeitgeist tauchen dann auch Beziehungsmodelle auf, die darauf abgestimmt scheinen. Die sogenannte Freundschaft Plus ist eine davon. Aber wie genau funktioniert eine Freundschaft Plus? Die Definition stammt aus dem Kino. Bekannt wurde sie zum Beispiel durch einen Film, in dem Jamie (Mila Kunis) und Dylan (Justin Timberlake) darauf schwören, dass sie keine Beziehung auf Gefühlsbasis haben wollen. Worauf beide sich einigen? Sie wollen Sex! Der amerikanische Sozialpsychologe Justin J. Lehmiller führt dazu eine Studie des „General Social Survey“ auf (1). Daraus geht hervor, dass in den 90ern 55,7 % der Collegestudierenden angaben, mit einem Freund oder Freundin geschlafen zu haben – ohne Liebesbeziehung – und sich dieser Anteil im folgenden Jahrzehnt auf 68,6 % erhöhte.

Gefühle und Sex sollen also voneinander getrennt werden – so die Idee.

Stefanie hat es tatsächlich versucht: Über eine Dating-Plattform suchte sie einen sexuell attraktiven Mann, der auch auf menschlicher Ebene ein paar Qualitäten mitbringen sollte, die sie besonders schätzt und mit ihrem Alltag gut zusammenpassen.

Gemeinsame Aktivitäten, wie Essen und ins Kino gehen, Sport machen und Reisen, sollten damit genauso im neuartigen „Beziehungskonstrukt“ abgedeckt sein wie regelmäßiger Sex mit eben dieser Person.

Klingt doch eigentlich wie eine ganz normale Beziehung? Nur ohne Liebe… Oder nicht?

Stefanie entschied sich aus mehreren Angeboten für Sven. Sven war geübt in Freundschaft Plus und hatte diverse unterschiedliche Erfahrungen und Versionen von Freundschaft Plus erlebt.

So kann es z. B. sein, dass Menschen, die behaupten, eine Freundschaft Plus zu bevorzugen, sich von der Bezeichnung Beziehung zu sehr eingeschnürt fühlen. Viele negative Assoziationen können dort mitschwingen, die vielleicht von den Eltern oder anderen Menschen aus dem Umfeld geprägt sind. Von einer Freundschaft Plus zu sprechen klingt dann einfach lockerer und nimmt den Beteiligten Stress und weitere mögliche Unannehmlichkeiten, die durch das Einschwören auf eine feste Partnerschaft entstehen könnten.

Möglicherweise haben Menschen mit Vorliebe zu Freundschaft Plus auch schon zu viel erlebt und Ängste, die sie am liebsten nicht aussprechen wollen. Das kann dazu führen, dass sie echter Zuneigung und Nähe freiwillig entsagen. Freundschaft Plus könnte ein Versuch sein, nur das Bequeme von einer Beziehung zu übernehmen. Alles Negative und Anstrengende, was dort mitschwingen kann, wird so vermieden – der Kontakt wird auf genau das Maß und genau den Abstand beschränkt, der immer noch den sofortigen Rückzug ermöglicht, wenn es kompliziert wird. Es werden nur so viel Emotionen aufgewendet, die es bedarf, um mit jemandem eine gute Zeit zu haben, nicht mehr!

WAS WÜNSCHST DU DIR WIRKLICH

Oder müssen wir nicht eher wieder grundehrlich mit uns selbst sein und uns eingestehen, dass das, was wir uns WIRKLICH wünschen, eine viel tiefer gehende Verbindung zu einem anderen Menschen ist? Und dass es einzig die Angst vor (erneuter) Verletzung und zunehmende Bequemlichkeit sind, die uns vorgaukeln, dass Freundschaft Plus doch das optimale Konstrukt ist. Müssen wir aufwachen und merken, dass sich echte Gefühle und echte Nähe face-to-face nicht von Statisten oder elektronischen Geräten ersetzen lassen?

Es kann sicherlich einige geben, für die Freundschaft Plus genau das Richtige ist. Sie kann aber auch zu einem Gefängnis werden, wenn die Beteiligten nicht offen über ihre Gefühle reden. Schlimmstenfalls kann es dann so laufen, dass in dieser Konstellation ein Mensch unfreiwillig Sex hat. Denn wenn nichts ausgesprochen wird, dann läuft es einfach immer so weiter und niemand kann wirklich loslassen… Freundschaft Plus zu beenden, kann so zu einem echten Problem werden. Der Reiz eines solchen Abenteuers ist vermutlich groß, doch ein tiefes, emotionales Gespräch wird möglicherweise nur aufgeschoben. Wenn Du in so einer Situation bist, finde bitte den Mut, offen darüber zu sprechen. Gut möglich, dass Dir dieser Zustand gerade ganz gut gefällt. Das muss aber lange nicht immer so sein, denn je öfter man sich sieht, desto mehr lernt man sich auch auf einer tieferen menschlichen Ebene kennen. Irgendwann fällt es dann sehr schwer, tatsächlich loszulassen.

Kann aus einer Freundschaft Plus eine Beziehung werden?

Ja, natürlich! Es muss nur der Mut da sein, solch einen Wunsch auch auszusprechen. Auch wenn man unglaubliche Angst hat, verletzt zu werden, muss auch klar sein, dass dies eine wundervolle Chance sein kann. Vielleicht sogar die schönste Chance, die man überhaupt haben kann.

Stefanie hat Freundschaft Plus nur dieses eine Mal ausprobiert. Für sie ist diese Art, sich menschlich zu begegnen, nichts. Sie bedauert, dass es heute offensichtlich so wenige Menschen gibt, die sich auf eine wirklich tiefe Art und Weise binden wollen. Dennoch möchte Stefanie wieder wirklich lieben, Freude, Glück und Nähe teilen und auch fühlen und dafür gleichzeitig das Risiko von Verletzung in Kauf nehmen!

Schon der österreichische Schriftsteller Ernst Ferstl sagte: „Die, die Angst vor den Höhen und Tiefen ihres Lebens haben, leben extrem mittelmäßig“ – und in diesem Satz liegt sehr viel Wahrheit verborgen.“

Kennt Ihr dieses Gefühl? Habt Ihr ähnliche Erfahrungen gemacht und wie seht Ihr die Entwicklungen der heutigen Zeit in Bezug auf „Freundschaft Plus“?

Wir freuen uns über Euer Feedback und weitere Geschichten von Euch.

Schreibt uns gerne an:

info@realitybites.online

Euer Team von reality bites.

Quellen:

  • (1) The Inquisitive Mind, Ausgabe 4/2016, Ohne Verpflichtungen: Sind „Freunde mit gewissen Vorzügen“ im echten Leben so kompliziert wie im Film?
  • https://de.in-mind.org/article/ohne-verpflichtungen-sind-freunde-mit-gewissen-vorzuegen-im-echten-leben-so-kompliziert-wie?gclid=CjwKCAjwn8SLBhAyEiwAHNTJbUPcD2cwD6PEspim-kaL2ge3pimSt8-cx6AEdU0aj8KzUf4a0g5SrxoCs-sQAvD_BwE